“… Alles, was nicht Literatur ist, langweilt mich, und ich hasse es, denn es stört mich oder hält mich auf, wenn auch nur vermeintlich. …”
Franz Kafka
Aus gegebenem Anlaß eines von Jannis Ritsos:
Abwendung der Wahrheit
Im letzten Moment hielt er plötzlich inne; er beendete seinen |
Satz nicht; er fürchtete sich;
auch wir fürchteten mit ihm, um unseretwillen. Da wandte er |
sich ganz ab,
pflückte eine Blüte von dem Blumentopf am Fenster. “Ist sie |
nicht schön ? |
Ist sie nicht köstlich?” meinte er. Und wir stimmten eifrig zu,|
vielleicht der Abwendung des Schlusses wegen, erleichtert |
über den Aufschub und doch
besorgt um die Dauer des Aufschubs, angespannt, mit jenem |
Beben (dem fast fühlbaren), wenn man etwas trotz allem nicht |
wahrhaben will.
_aus: Gedichte. Bibliothek Suhrkamp © Suhrkamp, 1991
Etwas über Sammler:
“Alle bedeutenden und schönen Büchersammlungen sind langsam entstanden, durch unablässiges Suchen und Sichmühen, meistens in einer jahrzehntelangen Sammeltätigkeit. Alle diese Sammler legten im Zusammenbringen ihrer Schätze einen außerordentlichen Geschmack an den Tag.”
Julius Zeitler
Und:
“… es ist immer wieder erstaunlich, mit welch bescheidenen Mitteln große, berühmte Sammler gearbeitet haben. Man meine nicht, das wäre heute anders.
Dinge mit großem Marktwert sucht der echte Sammler nicht. …”
Rudolf Koch.
Zeitler und Koch zitiert nach Ludwig Bielschowsky: Der Büchersammler. Zweite, neu bearbeitete Ausgabe 1980
… natürlich ein paar mehr von Heinrich Heine:
“Ich habe es, wie die Leute sagen,
auf dieser schönen Erde zu nichts gebracht.
Es ist nichts aus mir geworden, nichts als ein Dichter.”
in “Geständnisse”
Dem schließen wir uns gerne an, man tausche allerdings “Dichter” gegen “Antiquar”.
“(…) Ja, Doktor, mit dem Gelde geht bey solchen Leuten Ehre und Charakter verloren. (…)”
Aus: “Die Bäder von Lukka” (DHA, Bd. 7/1, S. 415)
“Politische Wetterfahnen.
Sie beschwören Stürme und verlassen sich auf ihre Beweglichkeit – sie vergessen, daß ihnen ihre Beweglichkeit Nichts helfen wird, wenn mal der Sturmwind den Thurm stürzt, worauf sie stehen.”
in: Letzte Gedichte und Gedanken (1869). S. 235
Heine an Michael Schloss, Paris, 19. Februar 1855: “(…) Hat denn dieser Unglückliche wirklich eine reiche Heirath gemacht ? so daß der sonst so demüthige Esel plötzlich in die Frechheit überschnappt u. mir 50 Franks zuschickt, die er behauptet, mir vor zwanzig Jahren abgeborgt zu haben, während ich doch gut weiß, daß ich ihm diese kleine Summe schenkte, u. von keinem Leihen die Rede war.
Wenn ich Geld lieh, waren es leider immer bedeutendere Summen, u. manche unsrer Bekannten werden aus Erfahrung dieses bezeugen.
Ich habe dieses stinkige Geld den Armen gegeben, wie ich es erhalten, öffentlich, da der Esel öffentlich darauf anspielt, u. ich habe nur die Vorsicht genommen, ihm keine Gelegenheit zu geben, sich durch Reklame geltend zu machen. (…)” ex:HSA Bd. 23, S. 414 — Brief Nr. 1631
“(…) Nach den Gütern dieser Erde
Greifen alle um die Wette,
Und das ist ein ew’ges Raufen,
Und ein jeder stiehlt für sich !
Ja, das Erbe der Gesammtheit
Wird dem Einzelnen zur Beute,
Und von Rechten des Besitzes
Spricht er dann, von Eigenthum !
Eigenthum ! Recht des Besitzes !
O, des Diebstahls! O, der Lüge!
Solch Gemisch von List und Unsinn
Konnte nur der Mensch erfinden.
Keine Eigenthümer schuf
Die Natur, denn taschenlos,
Ohne Taschen in den Pelzen,
Kommen wir zur Welt, wir alle.
Keinem von uns Allen wurden
Angeboren solche Säckchen
In dem äußern Leibesfelle,
Um den Diebstahl zu verbergen.
Nur der Mensch, das glatte Wesen,
Das mit fremder Wolle künstlich
Sich bekleidet, wußt’ auch künstlich
Sich mit Taschen zu versorgen.
Eine Tasche ! Unnatürlich
Ist sie wie das Eigenthum,
Wie die Rechte des Besitzes –
Taschendiebe sind die Menschen ! (…)“
Aus: Atta Troll
“(…) So wahr mir Gott alles Guts gebe, das ist gut ! – rief Hyazinth – Winken Sie mir nicht, Herr Markese, was Sie wissen, das weiß ich, und was ich weiß, das wissen Sie. Und Sie, Herr Doktor, leben Sie wohl ! Um die Kleinigkeit mahne ich Sie nicht. (…)”
Aus: “Die Bäder von Lukka” (DHA, Bd. 7/1, S. 93)
“Kunst ist der Zweck der Kunst,
wie Liebe der Zweck der Liebe,
und gar das Leben selbst der Zweck des Lebens ist.”
Heine (am 23. August 1838 in einem Brief an Karl Gutzkow)
“Das ist schön bei den Deutschen:
Keiner ist so verrückt, dass er nicht
einen noch Verrückteren fände,
der ihn versteht.”
in: “Die Harzreise”
“(…) Es hat wirklich den Anschein, als ob jetzt mehr geistige Interessen verfochten würden als materielle, und als ob die Welthistorie nicht mehr eine Räubergeschichte, sondern eine Geistergeschichte seyn solle. Der Haupthebel, den ehrgeitzige und habsüchtige Fürsten zu ihren Privatzwecken sonst so wirksam in Bewegung zu setzen wußten, nemlich die Nazionalität mit ihrer Eitelkeit und ihrem Haß, ist jetzt morsch und abgenutzt; täglich verschwinden mehr und mehr die thörigten Nazionalvorurtheile, alle schroffen Besonderheiten
gehen unter in der Allgemeinheit der europäischen Civilisazion, es giebt jetzt in Europa keine Nazionen mehr, sondern nur Partheyen, und es ist ein wundersamer Anblick, wie diese, trotz der mannigfaltigsten Farben sich sehr gut erkennen, und trotz der vielen Sprachverschiedenheiten sich sehr gut verstehen. Wie es eine materielle Staatenpolitik giebt, so giebt es jetzt auch eine geistige Partheypolitik; und wie die Staatenpolitik auch den kleinsten Krieg, der zwischen den zwey unbedeutendsten Mächten ausbräche, gleich zu einem allgemeinen europäischen Krieg machen würde, worin sich alle Staaten, mit mehr oder minderem Eifer, auf jeden Fall mit Interesse, mischen müßten: so kann jetzt in der Welt auch nicht der geringste Kampf vorfallen, bey dem, durch jene Partheypolitik, die allgemein geistigen Bedeutungen nicht sogleich erkannt, und die entferntesten und heterogensten Partheyen nicht gezwungen würden, pro oder contra Antheil zu nehmen. Vermöge dieser Partheypolitik, die ich, weil ihre Interessen geistiger und ihre Ultimae Rationes nicht von Metall sind, eine Geisterpolitik nenne, bilden sich jetzt, eben so, wie vermittelst der Staatenpolitik, zwey große Massen, die feindselig einander gegenüber stehen und mit Reden und Blicken kämpfen. Die Losungsworte und Repräsentanten dieser zwey großen Partheymassen wechseln täglich, es fehlt nicht an Verwirrung, oft entstehen die größten Mißverständnisse, diese werden durch die Diplomaten dieser Geisterpolitik, die Schriftsteller, eher vermehrt als vermindert; doch, wenn auch die Köpfe irren, so fühlen die Gemüther nichts desto weniger was sie wollen, und die Zeit drängt mit ihrer großen Aufgabe.
Was ist aber diese große Aufgabe unserer Zeit?
Es ist die Emanzipazion. Nicht bloß die der Irländer, Griechen, Frankfurter Juden, westindischen Schwarzen und dergleichen gedrückten Volkes, sondern es ist die Emanzipazion der ganzen Welt, absonderlich Europas, das mündig geworden ist, und sich jetzt losreißt von dem eisernen Gängelbande der Bevorrechteten, der Aristokratie. Mögen immerhin einige philosophische Renegaten der Freyheit die feinsten Kettenschlüsse schmieden, um uns zu beweisen, daß Millionen Menschen geschaffen sind als Lastthiere einiger tausend privilegirter Ritter; sie werden uns dennoch nicht davon überzeugen können, so lange sie uns, wie Voltaire sagt, nicht nachweisen, daß jene mit Sätteln auf dem Rücken und diese mit Sporen an den Füßen zur Welt gekommen sind.
Jede Zeit hat ihre Aufgabe und durch die Lösung derselben rückt die Menschheit weiter. Die frühere Ungleichheit, durch das Feudalsystem in Europa gestiftet, war vielleicht nothwendig, oder nothwendige Bedingung zu den Fortschritten der Civilisazion; jetzt aber hemmt sie diese, empört sie die civilisirten Herzen. Die Franzosen, das Volk der Gesellschaft, hat diese Ungleichheit, die mit dem Prinzip der Gesellschaft am unleidlichsten kollidirt, nothwendigerweise am tiefsten erbittert, sie haben die Gleichheit zu erzwingen gesucht, indem sie die Häupter derjenigen, die durchaus hervorragen wollten, gelinde abschnitten, und die Revoluzion ward ein Signal für den Befreyungskrieg der Menschheit.
Laßt uns die Franzosen preisen! sie sorgten für die zwey größten Bedürfnisse der menschlichen Gesellschaft, für gutes Essen und bürgerliche Gleichheit, in der Kochkunst und in der Freyheit haben sie die größten Fortschritte gemacht, und wenn wir einst alle, als gleiche Gäste, das große Versöhnungsmahl halten, und guter Dinge sind, – denn was gäbe es Besseres als eine Gesellschaft von Pairs an einem gutbesetzten Tische? – dann wollen wir den Franzosen den ersten Toast darbringen. Es wird freylich noch einige Zeit dauern, bis dieses Fest gefeyert werden kann, bis die Emanzipazion durchgesetzt seyn wird; aber sie wird doch endlich kommen, diese Zeit, wir werden, versöhnt und allgleich, um denselben Tisch sitzen; wir sind dann vereinigt, und kämpfen vereinigt gegen andere Weltübel, vielleicht am Ende gar gegen den Tod – dessen ernstes Gleichheitssystem uns wenigstens nicht so sehr beleidigt, wie die lachende Ungleichheitslehre des Aristokratismus.
Lächle nicht, später Leser. Jede Zeit glaubt, ihr Kampf sey vor allen der wichtigste, dieses ist der eigentliche Glaube der Zeit, in diesem lebt sie und stirbt sie, und auch wir wollen leben und sterben in dieser Freyheitsreligion, die vielleicht mehr den Namen Religion verdient, als das hohle ausgestorbene Seelengespenst, das wir noch so zu benennen pflegen – unser heiliger Kampf dünkt uns der wichtigste, wofür jemals auf dieser Erde gekämpft worden, obgleich historische Ahnung uns sagt, daß einst unsre Enkel auf diesen Kampf herabsehen werden, vielleicht mit demselben Gleichgültigkeitsgefühl, womit wir herabsehen auf den Kampf der ersten Menschen, die gegen eben so gierige Ungethüme, Lindwürmer und Raubriesen, zu kämpfen hatten.“
Aus: “Reise von München nach Genua. Capitel XXIX.” nach DHA Bd. 7/1, S. 68 ff._
Abschließend zum Trost:
“Geld ist rund und rollt weg, aber Bildung bleibt.”
Heinrich Heine, in “Reisebilder” (Dritter Teil: Die Bäder von Lucca, KapitelIII).